Freitag, 31. August 2018

Tag 4 in San Francisco mit einem Ausblick auf Regulierung der 4. Industriellen Revolution

Am Abreisetag fand sich eine Teilgruppe ein beim World Economic Forum for the Industrial Revolution (WEF4IR), das sein Büro seit anderthalb Jahren in San Francisco hat. Zurückgezogen im parkähnlichen Viertel Presidio denken hier erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie ehemalige Unternehmensstrategen und Regierungsberater nach über die Fragen, die sich aus den Entwicklungen etwa des Internets der Dinge an Regulierung und Regierungshandeln stellen. Unter der Leitung von Oberbürgermeister Ulf Kämpfer diskutierten unter anderem Staatssekretär Thilo Rohlfs, der Chef der Staatskanzlei Dirk Schrödter und die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Landtag, Eka von Kalben, mit den Experten des WEF4IR.
Michelle Avary und Murat Sönmez vom WEF4IR
Eine der diskutierten Fragen war, ob es bei selbstlernenden Maschinen künftig überhaupt noch lokale und nationale Regulierung geben kann, wenn zum ersten die Maschinen gewissermaßen erst auf Nachfrage die ihren Entscheidungen zugrundeliegenden Algorithmen „rausrücken“ und wenn unbestimmt ist, welcher Jurisdiktion ein solcher Computer eigentlich unterliegt. Diskutiert wurde auch die Frage, wessen intellektuelles Eigentum der von der Maschine selbstentwickelte und permanent revidierte Code eigentlich ist?
Dass der Mobilitätsbereich drastischen Veränderungen unterliegen wird (und muss), war in der Diskussion schnell klar. Michelle Avary vom WEF4IR die Frage, ob es fliegende Autos oder fahrende Drohnen sein werden, die – vor allem urbanen – Verkehr prägen werden künftig. Verkehrsstaatssekretär Rohlfs wies auf das ländlich geprägte Schleswig-Holstein hin, auf das in diesem Prozess ganz eigene Anforderungen zukommen werden, weil sich bislang Mobilitätsinnovationen viel auf städtische Bereiche fokussieren. Daher, so waren sich alle einig, müsse der Begriff „urban“ deutlich weiter gefasst werden, um die Daseinsvorsorge auf dem Land auch künftig gewährleisten zu können.

Zum Abschluss besuchte die Delegation noch die Plakatausstellung der Kieler Woche Motive am Flughafen San Francisco. Ein weiteres Beispiel der immer enger werdenden Zusammenarbeit der beiden Schwesterstädte Kiel und San Francisco.



Mittwoch, 29. August 2018

Tag 3 im Valley mit viel Smart City und "Let's go, Giants!"



Im dichten Programm einer Delegationsreise hat jeder Termin so seine Eigenart. Manchmal fallen die Vorträge eher vertrieblich aus, manchmal sind sie eher dialogisch angelegt, und manchmal geht es eher darum, einen visuellen oder ganz allgemein atmosphärischen Eindruck zu gewinnen.

Beim Netzwerkausrüster Cisco ging es heute zunächst um Zahlen. Nämlich um die beeindruckende Menge von geschätzt 50 Milliarden Geräten, die bis 2020 online sein werden. Hinzu kommen weitere 4 Milliarden Menschen, die endlich Zugang zum Internet erhalten werden. Staatssekretär Rohlfs zeigte sich bei der Präsentation des Smart City Beispiels Kansas City (Mo.) beeindruckt von der wirtschaftlichen Zugkraft des Projekts. Im Rahmen eines Öffentlich-Privaten-Partnerschaftsprojekts (ÖPP) investierte die Stadt circa 11 Mio. USD und konnte sich nach Angaben von Cisco in den Folgejahren über weitere private Investitionen in Höhe von 3 Mrd. USD freuen. Anders als in den meisten Teilen Schleswig-Holsteins ist die Glasfaserversorgung in den USA kaum vorhanden. Zusätzlich ließ die Stadt alle Kreuzungen mit Sensoren ausstatten, sodass nun Fahrzeuganbieter in Kansas City ihre autonomen Fahrzeuge testen wollen, weil sie dort wichtige Voraussetzungen erfüllt sehen, die sie andernorts erst errichten müssten.


Der Deputy City Manager von San Jose - immerhin der zehntgrößten Stadt der USA - hat ebenfalls bereits Erfahrungen mit Smart City. Kip Harkness zeichnet verantwortlich für das Projekt bei der Stadt und kommt von PayPal, das genau wie Adobe oder Cisco seinen Hauptsitz in San Jose hat. Nicht ohne Grund hat die Stadt sich das Motto gegeben: "Capital of Silicon Valley". Und doch fand Kip Harkness zunächst viele analoge und einige ineffiziente Prozesse innerhalb der Stadtverwaltung und bei den Bürgerdiensten vor. Mit breiter politischer Unterstützung und straffer Projektführung konnte die Stadt rasant aufholen und binnen weniger Jahre seinen Haushalt in Echtzeit darstellen oder Bürgerdienste per App anbieten, für die bislang ein Behördengang erforderlich war. In einem PPP wurden außerdem die Bürgerinnen und Bürger ans Netz angeschlossen, für die bislang ein Kabelanschluss zu teuer war. Im Gegenzug erhält die Stadt bei dem Mobilfunkunternehmen, das einige der 5G-Repeater im Stadtgebiet errichtet hat, Einblick in die Positionsdaten. Auf deren Grundlage kann die Stadt beispielsweise Ampelschaltungen einrichten oder Schlüsse ableiten, welche Straßen stärker als bisher frequentiert werden, sodass es etwa erforderlich sein könnte, dort früher als geplant Ausbesserungsmaßnahmen durchzuführen. Bürgermeister Ulf Kämpfer lud Kip Harkness zur nächsten Digitalen Woche Kiel ein (die nächste findet statt vom 8. bis 15.9.2018). Wie im Digitalisierungsprogramm der Landesregierung spricht auch Harkness lieber von Regionen, als von Smart Cities, genauer spricht er von "lernenden Regionen".

In der Bay Area ist nicht nur interessant zu erleben, mit welcher Risikofreude Investoren auf Unternehmen zugehen, welche innovativen, bisweilen auch spinnerten, Ideen aufkommen und wie dicht all dies nebeneinander passiert. Die etwas reiferen Gründungen geben sich bisweilen auch große Mühe, ihren Unternehmenszweck und ihr -ziel im Arbeitsumfeld wiederzugeben. Besonders eindrucksvoll gelingt das AirBnB. Fast alle Besprechungsräume sind Zimmern nachempfunden, die über die Plattform zu buchen sind. Ein Team ist nur damit beschäftigt, geeignete Angebote auf der Plattform zu finden und dann die Einrichtung möglichst originalgetreu nachzubauen und -zukaufen.

Den Ausklang des Abends stellte ein Besuch des AT&T Parks dar, wo die SF Giants auf die Arizona Diamondbacks trafen.



Dienstag, 28. August 2018

Tag 2 im Valley und die Eröffnung des Northern Germany Innovation Office (NGIO) in San Francisco


Das heute eröffnete Northern Germany Innovation Office (NGIO) wird nicht nur als „Botschaft“ Schleswig-Holsteins und Hamburgs in die Bay Area fungieren, es wird auch eine Anlaufstelle für die norddeutsche Community vor Ort sein. Dazu Wirtschaftsstaatssekretär Thilo Rohlfs am Rande der Büroeröffnung in San Francisco:

Der Director des NGIO Tim Ole Jöhnk nahm vor einigen Jahren in Kiel sein Abiturzeugnis von Jens-Peter Meißner in Empfang, heute stellt er seinem damaligen Schulleiter, der zusammen mit einigen Lehrerkolleginnen und -kollegen Teil der Delegation ist, die Schulleiter der Region im Silicon Valley vor. 


Aus Kiel kam Tim auf Umwegen ins Valley. Sein Weg führte ihn unter anderem über eine Sängerkarriere, so wurde bei der Einweihung des Büros in den Räumen der AHK San Francisco kurzerhand das Schleswig-Holstein-Lied angestimmt.



Tim bringt auf den Punkt, was Unternehmerinnen und Unternehmer eint, die im Valley erfolgreich sind: „Neugierde, Risikobereitschaft, Größenwahn, Kollaboration und harte Arbeit.“

Gefragt, wie er ganz spezifisch Firmen und Hochschulen aus Norddeutschland unterstützen wird, sagt er: „Erstens durch Trend- und Techscouting: Ich bin eng mit dem Silicon Valley verbunden: mit Unternehmen, Venture Capital Firmen, Universitäten, Startups und Accelerator Programmen. Die Partner des Büros können mich nun auf bestimmte Industrien oder Technologien ansetzen – sagen wir mal zum Beispiel auf Blockchain-Technologien in der Seefracht. Ich gebe dann einen Überblick zu Entwicklungen auf dem Markt – wer forscht gerade an dem Thema, welche Firmen haben in wen investiert, wohin geht die Entwicklung? Zweitens natürlich durch jährlich stattfindende Delegationsreisen oder durch Vorträge, Webinare und individuelle Reisen. Und drittens möchte ich Gründerinnen und Gründern dabei helfen, sich mit diesem Ökosystem zu verbinden und für sie Kontakte knüpfen zu Venture Capitals, Accelerator-Programmen, Incubators und anderer Art von Mentorship.“

Das Silicon Valley wäre nicht entstanden ohne die enge Verbindung zur Forschung – allen voran mit und an der Stanford University. Gerade deshalb drehen sich viele Gespräche der Delegationsteilnehmenden auch um die Frage, wie (Nord-)Deutschland bessere Rahmenbedingungen schaffen kann, um ein Ökosystem zu ermöglichen, das dem der Bay Area möglichst nahe kommt.
Dr. Anke Rasmus, Zentrum für Entrepreneurship, im Gespräch mit Prof. Martina Gerken, Institut für Elektrotechnik und Informationstechni, und Prof. Karin Schwarz, Vizepräsidentin für Forschung, Technologietransfer und wissenschaftlichen Nachwuchs an der CAU Kiel

Tag 1 in San Francisco und ein beeindruckender Empfang im Rathaus der Stadt

Raum Columbus, Montag, 27. August, 9 Uhr Pazifischer Zeit. Eine knapp 75-köpfige Delegation aus Schleswig-Holstein und Hamburg sowie ein Bremer Vertreter haben sich in San Francisco in einem Tagungshotel eingefunden.

Axel J. Schulz
Zunächst stellen sich Vertreter der Stadt Francisco und der Verein The Bay Areas vor. 
Während die Vertreter der Stadt die zwar noch junge, aber dafür sehr lebendige Zusammenarbeit mit der Stadt Kiel loben, freut sich der Vorsitzende des The Bay Areas e.V., Axel J. Schulz, zu berichten, dass circa 80 Prozent der Delegation bereits Mitglied seien.
Einige der zu Beginn des Vortrags ausgeteilten Beitrittsformulare sollten noch vor Ende seiner Präsentation ausgefüllt und unterschrieben auf seinem Pult landen.



Nachdem sich die Delegationsmitglieder am Vortag bereits kennengelernt haben,  stehen am Montagvormittag nach einer Vorstellung von German Accelerator, die auch in San Francisco eine Dependance haben, nun die ersten Gespräche mit Gründern an. Sie alle haben in der Bay Area Fuß gefasst und vor allem die mitreisenden Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die vier jungen Gründer wollen wissen, was ihnen beim Start in den USA geholfen hat und was nicht.

Stefan Groschupf, Salesforce
Der Hallenser Stefan Groschupf hat bereits mehr als ein halbes Dutzend Firmen gegründet und weiß aus seinen B2B Unternehmungen, dass er in Deutschland doppelt so lang an einem Kundenabschluss zu arbeiten hat, der ihm nur halb so viel Umsatz bringt wie in den USA.

Für den deutlich leichteren Marktzugang sitzt deshalb sein Team in den USA, die Technologie seines aktuellen Unternehmens hingegen kommt aus Halle an der Saale. Denn dort bekommt er die besten Arbeitskräfte für die Hälfte dessen, was er hier in der Bay Area zahlen müsste - Wohlgemerkt für diejenigen, die bei Alphabet, Facebook und Co. keinen Job bekommen haben.

von der RTWH in die Bay Area: Mostafa Akbari
Mostafa Akbari hat sein Studium an der RWTH Aachen genutzt, um sein Unternehmen Holobuilder zu gründen. Sein Unternehmen helfe Baufirmen, den Baufortschritt besser und einfacher überwachen zu können. Staatssekretär Dr. Thilo Rohlfs erkundigt sich, ob das Verfahren auch schon bei Autobahnen Anwendung finde. Hier gebe es sicherlich Bedarf auch außerhalb der USA, mutmaßt die Delegation.

Akbari berichtet, dass es in Deutschland häufiger Vorbehalte gebe bei Gründerinnen oder Gründern vermeintlich nicht-deutscher Herkunft. Hier gebe es einen deutlichen Unterschied zu den USA, insbesondere zum Silicon Valley und San Francisco, wo das Wachstum ohne Einwanderer gar nicht zu leisten wäre.

Rohlfs bei Linkedin
Beim Besuch der Firma LinkedIn stehen später Aspekte der Arbeit und der Weiterbildung im Mittelpunkt. Rohlfs fragt bei der Unternehmenspräsentation nach Anknüpfungspunkten mit lokalen Arbeitsagenturen. Erste Modellprojekte habe es bereits in Utah gegeben, berichtet der verantwortliche LinkedIn-Mitarbeiter. Auch die Delegationsvertreter aus Wissenschaft und Weiterbildung interessieren sich für die im Aufbau befindlichen Unternehmensfelder, die möglicherweise noch fehlenden Fähigkeiten und Fertigkeiten von Nutzerinnen und Nutzern dem jeweiligen Arbeitsmarkt entsprechend anzubieten.

Beim Besuch der City Hall stehen die Vertreter der Landeshauptstadt Kiel im Fokus. Sie unterzeichnen mit der erst seit kurzem amtierenden Bürgermeisterin London Breed ein Abkommen (MoU) über Müllvermeidung. Im Bild sind der Chef der Staatskanzlei, Dirk Schrödter, die Bürgermeisterin und Staatssekretär Rohlfs im Gespräch. Das Rathaus ist bei den Bürgerinnen und Bürgern ein beliebtes Fotomotiv für Hochzeiten - während des Empfangs im Anschluss an die Unterzeichnung des MoU werden fast ein halbes Dutzend Brautpaare abgelichtet, während auf dem sogenannten "Bürgermeisterbalkon" Oberbürgermeister Kämpfer, Kiels Stadtpräsident Tovar und Mayor Breed ihrerseits um die Wette strahlen.